Bei dem Gedanken an „Durchgriffshaftung“ bekommt der potentielle Investor, der gerne in den U.S.A. tätig werden will, Gänsehaut. Das Schreckgespenst „Durchgriffshaftung“ hat schon so manchen davon abgehalten in den U.S.A. eine Tochtergesellschaft zu gründen. Dabei ist bei Einhaltung einiger grundsätzlicher Regeln die Durchgriffshaftungsgefahr eher gering.
Grundsatzregeln zur Durchgriffshaftung in den U.S.A.
Um was geht es? Es geht darum, dass der ausländische Investor bzw. in den U.S.A. Geschäftstätige sich darüber bewusst sein muss, dass ein potentieller Geschäftspartner oder Gläubiger in den U.S.A. durchaus Interesse haben kann, im fernen Ursprungsland des Investors seine potentiellen Ansprüche zu verfolgen und sogar durchzusetzen.
Aber wie kann es überhaupt so weit kommen? Nachfolgend sollen einige Grundsatzregeln angesprochen werden, die eine solche Durchgriffshaftungsgefahr gering halten.
Wahl der richtigen Gesellschaftsform: Die C-Corp
Bei der Durchgriffshaftung geht es im Wesentlichen um die Vermeidung der Haftung der Muttergesellschaft, wenn es Probleme mit dem Verhalten der Tochtergesellschaft geben sollte.
Mit Gründung einer Tochtergesellschaft erhofft sich die Muttergesellschaft, eine direkte Haftung in den U.S.A. vermeiden zu können. Deshalb wird die Tochtergesellschaft auch eine Gesellschaftsform wählen, bei der diese selbständig und autark auftritt. Das funktioniert bei der sog. „C-Corp“ am besten. Dies sind die Gesellschaften in den U.S.A., die am Ende entweder ein „Inc.“ oder „Corp.“ zur Bezeichnung der Gesellschaftsform stehen haben. Dann handelt es sich um selbständige Kapitalgesellschaften, die anders als Personengesellschaften keine potentiell persönlich haftende Mitgesellschafter haben.
Bedeutung von Corporate Governance
Aber auch die Kapitalgesellschaft ist nicht vor Unheil geschützt, wenn deren Gesellschafter nicht bestimmte Regeln beachten. Die Einhaltung und Beachtung solcher Regeln wird weithin auch mit dem Begriff „Corporate Governance“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um die Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Vorgaben aufgrund der jeweiligen U.S. Gesetze und der internen Regelungen der Gesellschaft durch ihre Satzung. Durch die Einhaltung der Corporate Governance Regelungen kann eine Durchgriffshaftung auf die Muttergesellschaft grundsätzlich vermieden werden.
Minute Book und Corporate Secretary
Meist ist dem ausländischen Investor oder Gesellschaftsgründer aus einem kontinentaleuropäischen Rechtssystem nicht bewusst, dass es in den U.S.A. keine Art Handelsregister gibt, die sich um formelle Vorschriften der U.S.-Gesellschaft kümmert. Werden in kontinentaleuropäischen Ländern in den Handelsregistern eingetragene Gesellschaften meist hoheitlich durch Behörden oder andere Institutionen verwaltet, ist diese Aufgabe in den U.S.A. auf die Gesellschaft bzw. deren Organe selbstverantwortlich übertragen. Mangels Handelsregister wird deshalb die Corporate Governance durch das sog. Minute Book der Gesellschaft umgesetzt. U.S. Gesellschaften sind gesetzlich verpflichtet, alle wesentlichen Dokumente der Gesellschaft selbst zu verwalten und zu erstellen. Diese Dokumente werden in dem Minute Book verwaltet und aufbewahrt.
Das Minute Book deckt grundsätzlich die Bereiche (i) Articles of Incorporation / Gründungsregistrierung; (ii) Satzung / Bylaws bzw. Operating Agreement; (iii) Beschlüsse / Minutes; (iv) Aktienzertifikate / Stock Certificates; (v) Übertragung derselben im Gesellschaftsregister / Stock Transfer Ledger; (vi) sowie Verwahrung diverser Dokumente, einschließlich der Steuerbehörde / IRS Documents ab.
Meist sind es deshalb die die U.S.-Tochtergesellschaft betreuenden U.S.-Anwälte, die den sog. „Corporate Secretary“ stellen und damit für die Umsetzung der Corporate Governance verantwortlich sind. Der Corporate Secretary bildet somit eine wichtige Brücke zwischen der Muttergesellschaft und ihrer U.S. Tochtergesellschaft und stellt auf diese Weise sicher, dass sich kein Haftungspotential aufbaut.
Weitere Aspekte zur Vermeidung der Durchgriffshaftung in den U.S.A.
Nachfolgend seien weitere, durchgriffshaftungsvermeidene Aspekte genannt:
- Kapitalisierung bei Gesellschaftsgründung: Auch wenn es extrem selten, bis zu unmöglich erscheint, dass es hierbei zur Durchgriffshaftung kommt: Es sollte gleich zu Beginn der Gesellschaftsgründung darauf geachtet werden, dass die Gesellschaft nicht unterkapitalisiert ist. Hier wird als Höhe des Gründungskapitals der voraussichtliche Cashflow Bedarf der ersten 6 Monate nach Gründung empfohlen. Eine Mindestkapitalisierung der Gesellschaft ist allerdings nicht vorgeschrieben.
- Trennung von Vermögen – Mutter und Tochter: Das Risiko einer Durchgriffshaftung auf die Muttergesellschaft ist besonders groß, wenn die Vermischung von Vermögen von Tochter und Mutter nachgewiesen werden kann. Das kann schon bei der Gesellschaftsgründung beginnen, wenn – zeitnah – die Gründungsausgaben für die Etablierung der Tochtergesellschaft nicht ordentlich verbucht wurden, oder viel schlimmer nach Gründung Ausgaben der Tochtergesellschaft ganz einfach „erst einmal“ von der Mutter getragen werden, ohne dass diese dann später zurückgebucht bzw. umgebucht werden. Das bedeutet auch, dass die Tochtergesellschaft von Beginn an eine eigene Buchführung haben muss. Dafür wird der eingeschaltete Steuerberater eine Eröffnungsbilanz mit Anfangskapital erstellen.
- Bedeutung ordentlicher Dokumentation: Dass eine nicht ordentliche oder ungenaue Dokumentation von Gesellschaftsunterlagen ein Grund für eine Durchgriffshaftung sein kann, wurde bereits oben unter „Corporate Governance“ erläutert.
- Eigenständige Geschäftsführung der Tochtergesellschaft: Ein häufig vorkommender Tatbestand mit Potential für die Durchgriffshaftung ist zudem das „Nicht-Loslassen“ der Muttergesellschaft. Soll heißen: der Eingriff in die unabhängige Geschäftsführung der Tochter durch das Management der Mutter, so dass bestimmte eigenständige Entscheidungen der Tochter nicht oder nur erschwert möglich sind.
Im Falle der Geltendmachung einer Durchgriffshaftung auf die Mutter wird ein potentieller Gläubiger bzw. Anspruchsteller argumentieren, dass es sich bei der Tochter nur um ein „alter ego“ der Muttergesellschaft handelt und wird dann o.g. Kriterien heranziehen. Je mehr Kriterien vorhanden sind, desto einfacher ist die Argumentation zugunsten einer „alter ego“ Situation und somit der Gefahr einer Durchgriffshaftung.
Die Anwälte unserer Kanzlei sind mit einer bestmöglichen Vermeidung der Durchgriffshaftung bestens vertraut und stehen bei Fragen hierzu gerne zur Verfügung.