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Grundzüge des Gerichtssystems und Prozessrechts in den USA

Streitverfahren in den USA – Die streit-freudigen Vereinigten Staaten von Amerika

Es ist weitgehend bekannt, dass sich das Gerichts- und Prozessystem in den USA substantiell von den Systemen in Deutschland oder Österreich unterscheidet. Weniger bekannt sind die drastischen wirtschaftlichen Konsequenzen für Prozessbeteiligte, selbst bei Obsiegen vor Gericht.
Und trotzdem wird in den USA statistisch mehr geklagt als in Europa. 90% aller Gerichtsverfahren enden allerdings durch Vergleich, und nicht durch Gerichtsurteil. Der Weg dorthin kann allerdings sehr kosten- und zeitaufwendig sein. Mangels eines Mahnverfahrens – wie es in Deutschland bekannt und durchaus üblich ist – sind gerade Unternehmen in den USA oftmals darauf angewiesen, selbst begründete Forderungen dann im Rahmen einer ultima ratio auf dem Klageweg einzutreiben.
Hinzu kommt, dass in manchen Bereichen Anwälte mittellosen (und auf bestimmten Rechtsgebieten auch anderen) Klägern ein erfolgsabhängiges Honorar anbieten, so dass diese einen Rechtsstreit erst einmal ohne jegliche Eigenkosten initiieren können. Abgerechnet wird dann aber später, zwar nur bei Obsiegen oder Vergleich, dann aber mit Erfolgshonoraranteilen zwischen 1/3 (33.3%) und 40% der erstrittenen Summe. Hinzu kommt die Erstattung aller Kosten und Auslagen für den Rechtsstreit. Da bleibt manchmal gar nicht mehr viel „Erlös“ für die klagende Partei übrig.
Unabhängig davon, aus welchem Grund ein Rechtsstreit geführt werden muss, ist eine weitsichtige und kostenbewusste Strategie essentiell. Jedem potentiellen ausländischen Investor in den USA sollte deshalb absolut klar sein: muss ich klagen oder werde ich sogar verklagt, kann dies einen potentiellen wirtschaftlichen „Kosten-Gau“ verursachen. Warum dem so sein kann soll hier kurz dargestellt werden.

System der Gerichte

Das Gerichtssystem in den USA unterscheidet – hauptsächlich – zwischen Bundesgerichten und Bundesstaaten-Gerichten. D.h. abhängig vom gerichtlich anhängig gemachten Rechtsanspruch, wird dieser entweder vor

  • einem Bundesgericht („federal court“) oder
  • einem Bundesstaaten-Gericht („state court“)

verhandelt. Es gibt Rechtsbereiche, die allein in den Zuständigkeitsbereich von Bundesgerichten fallen und dort exklusiv vor Bundesrichtern verhandelt und entschieden werden, z.B.

  • Ansprüche aus dem gewerblichen Rechtsschutz („intellectual propery law“),
  • Patentrecht („patent law“)
  • Insolvenzrecht („bankruptcy law“)

Bei zivilrechtlichen Ansprüchen kann es für die Zuständigkeit des Gerichts (Bundes- oder Bundesstaatengericht) zum einen auf die Höhe des Anspruchs ankommen („Streitwert“) oder darauf, ob der Rechtsstreit bundesstaatenübergreifend ist, also mehrere Bundesstaaten tangiert (dann grdstz. Bundesgericht). Ansonsten liegt die Zuständigkeit bei den Gerichten der einzelnen Bundesstaaten. Gerichtsentscheidungen können nicht nur durch Richter, sondern auch durch Geschworene ergehen.

Prozessrecht in den USA

In den USA eine – zivilrechtliche – Klage – egal ob vor einem Bundes- oder Bundesstaatengericht einzureichen, ist denkbar einfach und relativ kostengünstig. In den USA kennt man keine „Gerichtskosten auf Basis des Streitwerts“. Egal ob der Anspruch über $100 Mio. oder über $5,000 geltend gemacht wird. Die Kosten für die Einreichung der Klage bei Gericht sind marginal. Der Schriftsatz für die Einreichung einer Klageschrift benötigt grundsätzlich nur rudimentäre Informationen. Der Anspruch sollte schlüssig dargestellt werden, aber Beweis – wie in einer typisch deutschen Klageschrift – muss im Klageschriftsatz in den USA („complaint“) nicht angeboten werden. Für den deutschen oder österreichischen Betrachter stellt sich die o.g. Klagesystematik also erst einmal insoweit einfach und kostengünstig genug dar. Der „Hammer“, d.h. die böse Überraschung des Systems zeigt sich erst später, wenn durch Einreichung einer Klage das Klageverfahren in Bewegung gesetzt wurde.

Ungeahnte Problematiken im U.S.-Klagesystem

Die Zustellung der Klageschrift: Nach Einreichung der Klage vor einem U.S.-Gericht beginnt dann das für deutsche oder österreichische Verhältnisse unglaublich kostspielige und umständliche U.S.-amerikanische Prozessrechtssystem. Die Zustellung („service of process“) geschieht nicht – wie in Deutschland oder Österreich üblich – auf dem „hoheitlichen“ Weg, also per Gerichtszustellung, sondern über private Zustellfirmen. Diese werden beauftragt, die Klageschrift (oder auch andere prozessrelevante und zustellungsnotwendige Dokumente) den betroffenen Parteien zuzustellen, was auf teilweise absurde Art und Weise erfolgt. Der beklagten Partei wird die Klageschrift meist entweder an bekannte und hinterlegte Zustelladressen und – Adressaten meist persönlich übergeben. Ist dies nicht möglich da die betroffene Partei nicht auffindbar, kann die Zustellung auch auf fast konspirative Art und Weise in „Nacht und Nebel Aktionen“ und mit „Überraschungseffekt“ erfolgen. Das kann z.B. durch „Auflauern“ der beklagten Partei an diversen Orten geschehen, wenn dem Zusteller bekannt wurde, wo sich die beklagte Person gerade aufhalten könnte.
Die Ablehnung der Annahme des Schriftstücks nützt wenig, denn die Zustellfirmen fertigen Übergabe-Protokolle an, die den Empfänger der Klageschrift akribisch beschreiben um später die Identifizierung der Person an welche zugestellt wurde und somit die wirksame Zustellung der Klageschrift beweisen zu können. Es kann Wochen oder sogar Monate dauern, bis die Zustellung einer Klageschrift wirksam erfolgt. Die Kosten der Zustellung der Klage trägt der Kläger.

Erwiderung der Klage, Beweisverfahren, Hauptverhandlung und Urteil

Wurde die Klageschrift wirksam zugestellt muss die beklagte Partei fristgerecht auf die Klage erwidern, wenn der in der Klage geltend gemachte Anspruch bestritten werden soll. Auch die Klageerwiderung erfordert insoweit keine grosse Einlassung auf die Klageschrift. Es genügt den darin erhobenen Anspruch schlüssig zu bestreiten. Dies alles geschieht ohne das Erfordernis eines Gegenbeweises.
Der nächste Schritt, der Beginn des Beweisgewinnungsverfahrens (sog. „discovery“) wird dann allerdings alle deutschen oder österreichischen Vorstellungen von Verfahrenskosten und Zeitaufwand sprengen und die Dimension des bevorstehenden Verfahrens bedrohlich ankündigen.
Im U.S.-Beweisgewinnungsverfahren kann die klagende Partei alle möglichen aber auch – fast – alle unmöglichen Behauptungen aufstellen um relevante aber auch irrelevante Informationen zum Beweis des angeblichen Anspruchsgrunds von der Gegenseite anzufordern. Kaum ein Richter – der im U.S.-amerikanischen Prozessrecht eher die Stellung eines „Regel-Aufpassers / Schiedsrichters“ als eines Verfahrensleiters innehat – wird Beweisanträge ablehnen, wenn nur der Hauch eines Verdachts besteht, die angeforderten Informationen könnten irgendwie relevant sein. Der Aufwand und Umfang des Beweisverfahrens wird allein von den Parteien selbst bestimmt, und dies meist von der klagenden Partei. Hier kann es sich (a) um die Anforderung von Unterlagen, Dokumenten (einschließlich von Emails) oder auch immaterielle Informationen handeln („request to produce“), oder es kann um die Aufforderung von Beantwortung bestimmter Fragen in Schriftform gehen („written interrogatories“), oder es kann sich um die Ankündigung der Vernehmung von Parteien oder Zeugen handeln („depositions“). Der Fantasie des Inhaltes solcher Beweisanträge ist kaum eine Grenze gesetzt.
Die Beantwortung bzw. Bearbeitung dieser Beweisanträge durch die beklagte Partei ist oftmals von dieser nur mit großem Zeit- und Kostenaufwand zu bewältigen. Die Kosten solcher Anträge gehen sehr schnell in doppelte vierstellige Höhen. Jede Partei hat dabei ihre eigenen Kosten – also auch die für die Abwehr der Ansprüche – zu tragen, selbst wenn sich später herausstellt, dass der Anspruch und somit die Klage unbegründet war. Es gibt in den USA grundsätzlich keine Regelung, die den Para. 92 ff der deutschen Zivilprozessordnung entspricht. Auch die – später – obsiegende Partei hat ihre eigenen Kosten – und hier vor allem die sehr teuren Kosten der Rechtsvertretung – zu tragen und hat keinen Regressanspruch gegen die unterlegene Partei!
Ist das Beweisverfahren ausgeschöpft und zu Ende, und falls sich die Parteien bis dahin nicht durch Vergleich geeinigt haben (nicht unbedingt wegen der Begründetheit der Forderung, sondern aus rein wirtschaftlichen Gründen, s.o.), dann folgt grundsätzlich die Terminierung eines Hauptverfahrens, das dann zu einem Urteil führen kann. Bis dahin können allerdings mehrere Jahre vergehen. Die Vollstreckung des Urteils erfolgt dann grundsätzlich durch Übergabe des Urteils an den zuständigen „Sheriff“.

 

Vermeidung eines Klageverfahrens

Wie oben bereits ausgeführt, ist die „Streitfreudigkeit“ in den USA trotz der o.b. Gefahren sehr hoch. Klageandrohung und evtl. dann Klageeinreichung wird oft als „Druckmittel“ eingesetzt um aufgrund der Kosten- und anderen Risiken (z.B. der Unvorhersehbar- und Unberechenbarkeit von Gerichtsverfahren in den USA – gerade wenn dann auch noch Geschworene die Entscheidung treffen dürfen), die Gegenpartei zu einem Kompromiss zu drängen.
Sicherlich ist ein Vergleich eine sehr gute Alternative, um Streitigkeiten ein Ende zu bereiten. Das Verfahren wird dann auf Antrag eingestellt, die Streitsache ist beendet. Wichtiger allerdings ist die Überlegung, durch kluge Voraussicht und Planung es überhaupt erst nicht zu einem Gerichtsverfahren kommen zu lassen. Vorbeugung, Prävention und Vermeidung sind wichtige Stichworte hierbei.

Zusammenfassung

Unsere Kanzlei steht mit seinem Team sehr gerne sowohl bei den Themen „Klagevermeidung“ also auch bei der Vorbereitung einer Klage und Durchführung des Verfahrens kompetent zur Verfügung.

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